Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB Bayern) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW Bayern) danken für die Zusendung des Gesetzesentwurf und nehmen wie folgt Stellung:
1. Einführung der Beruflichen Oberschule
Wir begrüßen, dass der Schulversuch zur Erprobung der Jahrgangsstufe 13 an Fachoberschulen in ein Regelangebot übergeleitet wird. Allerdings bezweifeln wir, dass dadurch ein gleichwertiges Angebot zur gymnasialen Oberstufe geschaffen wird. Dennoch sehen wir es positiv, dass beide Abschlüsse zumindest die gleiche Berechtigung verleihen.
Wir erwarten, dass die große Nachfrage nach Plätzen an Fach- und Berufsoberschulen eine gute Ausstattung dieser Schularten mit Lehrer/innen, angemessenen Räumlichkeiten und Sachmitteln zur Folge hat.
2. Ausbau der Schülermitverantwortung
Wir begrüßen die Einführung des Landesschülerrates, die Erweiterung der Mitverantwortung von Schülern auf alle Schularten sowie die finanzielle Unterstützung durch den Freistaat Bayern. Wir verbinden dies mit der Hoffnung, dass das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus die Beratung durch den Landesschülerrat sowie auch dessen Vorschläge zukünftig stärker wahrnehmen und auch aufnehmen wird.
Die von ihnen vorgeschlagenen Schritte sind wichtig und richtig, müssen jedoch in naher Zukunft ergänzt werden. Im Sinne einer Förderung demokratischer Handlungsweisen ist ein weiterer Ausbau von Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen dringend geboten – bereits im Kindergarten und natürlich auch in der Schule. Eine Verankerung von weitergehenden Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen im Kindergartengesetz und auch im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzt ist hier unserer Ansicht nach anzustreben.
3. Evaluation
Im Zusammenhang von Artikel 113 a in Verbindung mit Artikel 82 Abs. 5 verstehen wir grundsätzlich unter externer Evaluation eine Maßnahme der Sicht auf die Schule von außen, von Personen, die ihren Tätigkeitsschwerpunkt nicht an einer Schule haben. So wird externe Evaluation in den meisten anderen Ländern verstanden. Die bayerische Variante, aktive Lehrer, Seminarleiter, Schulleiter, u.a. mit der so genannten externen Evaluation zu beauftragen, ist daher allenfalls eine Mischform zwischen Innen- und Außensicht von Schulen, keine wirklich externe Evaluation.
Externe Evaluation ist nach unserer Überzeugung eine Maßnahme der Qualitätssicherung, die nur dann erfolgreich sein kann, wenn die betroffene Schule (nicht nur die Schulleitung) diese selbst beantragt, weil sie in einer bestimmten Phase der Schulentwicklung Wert auf eine Außensicht legt.
Die Auswahl der zu evaluierenden Schulen und der Art und Weise der Evaluation durch die Schulaufsicht halten wir für kontraproduktiv.
Zu Absatz 2: Für uns absolut nicht nachvollziehbar sind die Modalitäten, wie Evaluationsgruppen gebildet werden. Während alle anderen herausgehobenen Tätigkeiten an Schulen bzw. in der Schulverwaltung formal ausgeschrieben werden und Bewerber sich strengen Auswahlkriterien und –prozessen zu unterziehen haben, werden Mitglieder von Evaluationsteams lediglich „benannt“. Dieses Verfahren ist zutiefst undemokratisch und steht in keiner Relation zur Bedeutung, die der Tätigkeit von Evaluatoren an den einzelnen Schulen und im System der Schulentwicklung zugeschrieben wird. So soll es z. B. auch vom Urteil eines Evaluationsteams abhängen, ob einer Schule der Status einer MODUS-Schule zuerkannt werden soll oder nicht. (vgl. Art. 82 Abs. 5)
Daher lehnen wir die Benennung von Personen, „die für die Mitarbeit in einem Evaluationsteam geeignet erscheinen“ und „die alle über große pädagogische Erfahrung verfügen“, ab. Stattdessen fordern wir, dass diese Funktion ausgeschrieben und wie andere Funktionsstellen besetzt wird. Dann haben alle Interessierten die Möglichkeit, sich zu bewerben. Damit wäre auch die Beteiligung der Personalvertretung, die für uns unabdingbar ist, gewährleistet.
Schulleitungsmitglieder halten wir für die Tätigkeit in Evaluationsgruppen für nicht geeignet, da sie sonst sowohl für die personenunabhängige Bewertung von Unterricht (was wir für unmöglich halten), als auch für die dienstliche Beurteilung zuständig wären. U.U. erfolgt dies zeitlich nah beieinander. Konkret: Wir können uns nicht vorstellen, dass ein Schulleiter an einer vielleicht 20 km entfernten Schule Unterricht bewertet, ohne dabei die unterrichtende Lehrkraft zu würdigen und kurze Zeit später an der eigenen Schule Unterricht besucht, um die Lehrkraft zu beurteilen.
Aus der bisherigen Erfahrung wissen wir, dass sowohl für die Unterrichtsbewertung als auch für die Beurteilung von Lehrern die gleichen Kriterien zugrunde gelegt werden. In der Praxis wird in beiden Fällen häufig mit den Kriterien für guten Unterricht von Hilbert Meyer gearbeitet. Auch deshalb halten wir es für unmöglich, zwischen der Bewertung von Unterricht und der Beurteilung von Lehrern zu trennen. Für beurteilende Schulleiter liegt es doch zudem nahe, bei der dienstlichen Beurteilung auf Evaluationsergebnisse im Haus zurückzugreifen.
Die Möglichkeit, „private Dritte“ zu beteiligen stellt hohe Anforderungen an deren Qualifikation und Verpflichtung. „Sie besitzen Kenntnisse in aktuellen Fragen der Bildungs- und Schulpolitik, der Evaluation als einer definierten sozial-wissenschaftlichen Methode, sind mit Merkmalen einer guten Schule und eines guten Unterrichts sowie mit ihren Indikatoren vertraut, haben kommunikative Fähigkeiten, sind diskret, und haben Distanz gegenüber Vorurteilen und schnelllebigen Modernismen.“ Solche Kompetenzen sind wohl kaum überprüfbar, jedoch unter Eltern, die i. d. R. keine Spezialisten für „Schule als System“ sind, wohl eher selten anzutreffen und können auch nicht in der vorgesehenen eintägigen Schulung vermittelt werden. Ähnliches gilt auch für die Vertreter der Wirtschaft. Daher bedarf es intensiverer Vorbereitungen.
Wir erwarten zudem, dass der in der Begründung (Seite 31) genannte Personenkreis (Vertreter der Wirtschaft, die als Qualitätsbeauftragte oder als Ausbildungsleiter tätig sind, und Eltern) auch in den Gesetzestext übernommen wird. Andernfalls wäre der Begriff der „privaten Dritten“ beliebig interpretierbar.
In Absatz 3, Satz 2 soll sicher gestellt werden, „dass nur soweit personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden, als das öffentliche Interesse die schutzwürdigen Belange der Betroffenen erheblich überwiegt und der Zweck der Evaluation auf andere Weise nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden kann.“ Wer entscheidet, wann das öffentliche Interesse die schutzwürdigen Belange der Betroffenen erheblich überwiegt und wann ein Aufwand unverhältnismäßig>wäre?
Satz 5 sieht vor, dass die personenbezogenen Daten anonymisiert werden, „sobald dies nach dem Zweck der Evaluation möglich ist.“ Hier erwarten wir klare Aussagen, wann eine solche Anonymisierung zu erfolgen hat.
Die „gesonderte“ Speicherung von Daten, die Personen zugeordnet werden können (Satz 6), halten wir für problematisch. Wo werden diese Daten gespeichert und wer hat Zugriff? Hier sehen wir insbesondere Probleme bei Daten, die im Rahmen der internen Evaluation gesammelt werden, und die an den einzelnen Schulen vorliegen.
Auch in Satz 7 findet sich wieder die vage Formulierung, dass personenbezogene Daten nur mit anderen verknüpft werden dürfen, „soweit der Zweck der Evaluation dies erfordert.“ Wer hat die Definitionshoheit über den Zweck der Evaluation im Detail?
Zu Satz 8: Eine Veröffentlichung von Evaluationsergebnissen (auch nur im Rahmen der sog. Schulgemeinschaft, der auch „schulfremde“ Personen angehören) in nicht personenbezogener Form ist zwar theoretisch möglich, stößt aber praktisch v. a. an kleinen Schulen schnell an ihre Grenzen. Im Grundschulbereich gibt es Schulen mit vier und weniger Klassen und entsprechend wenigen Lehrkräften. An solchen Schulen (aber auch an anderen „kleinen“ Schulen) kann so gut wie jede Aussage über die „Qualität der Schule“ einer Person zugeordnet werden. In der Vergangenheit haben Schulen aus eigener Initiative Evaluationsergebnisse in der Presse veröffentlicht. Dies ist aus der Sicht der Schulleitung u. U. nachvollziehbar, möchte man sich doch gern positiv darstellen. Es gibt jedoch keine Garantie, dass in solchen Fällen der Datenschutz jeder einzelnen Person gewährleistet ist und Rückschlüsse auf einzelne Personen unmöglich sind.
Zu den Kosten:
Externe Evaluation besitzt an den meisten Schulen nur geringe Akzeptanz. Dies gilt insbesondere für Schulen, die von der Schulaufsicht für die Evaluation ausgesucht werden. Aber auch Schulen, die sich in der Pilotphase freiwillig gemeldet hatten, schäumen nicht über vor Begeisterung: Auf die Frage „Hat es sich gelohnt?“ antwortet ein Schulleiter „…Aus meiner Sicht gibt es durchaus Positives… Und nicht zu vergessen: Inzwischen ist die externe Evaluation tatsächlich zum flächendeckenden Muss geworden. Wir haben es hinter uns – und leben noch!“ (nachzulesen im Lehrerinfo 4/05). Für derartige Ergebnisse 6640 bzw. 7380 Euro pro Evaluation zu investieren, erscheit uns in keiner Weise gerechtfertigt. Diese Beträge sind größer als der Betrag, den eine Ganztagsklasse für ein ganzes Schuljahr erhält, um sozialpädagogische Angebote zu finanzieren – ein krasses Missverhältnis.
Zusammenfassend fordern wir, dass Externe Evaluation nur an Schulen durchgeführt wird, deren gesamtes Kollegium sich dafür ausspricht und dass nur unbedingt notwendige personenbezogene Daten erhoben und diese spätestens unmittelbar nach dem Abschluss einer Zielvereinbarung gelöscht werden.