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Digitalisierung – Aufgaben des Personalrats und der GEWerkschaft

Mit der Coronapandemie erleben Bildungseinrichtungen einen enormen technischen Schub. Geräte wurden angeschafft, Unterricht und Konferenzen digital abgehalten.

Damit einher gehen große Herausforderungen für die Personalrät*innen, aber auch für die Gewerkschaft GEW.

Immer mehr digitale Hilfsmittel halten in den Bildungseinrichtungen Einzug und versprechen, den Berufsalltag zu erleichtern. Dank internetgestützter Kommunikations- und Kollaborationswerkzeuge[i] kontaktieren wir schnell und von überall Eltern, Kolleg*innen, Schüler*innen und Schulleitung. Flexibel können wir unsere Unterrichtsvorbereitung, -organisation und -verwaltung jederzeit digital erledigen, ob zu Hause oder von unterwegs. Zahlreiche weitere Tools erleichtern uns die Erstellung verschiedenster Dokumente, von Mitteilungen über Zwischenberichte bis hin zu Zeugnissen. Schnell sind alle Daten und Informationen verfügbar, genutzt werden sie von allen pädagogischen Teams der Bildungseinrichtung. Selbst der Unterricht findet immer stärker über Lernplattformen asynchron oder synchron per Videokonferenz statt. Die Vielfalt digitaler Helferlein und die technische Ausstattung der Schulen wächst stetig. Sie werden auf die Bedürfnisse der verschiedenen Schularten immer besser zugeschnitten und ermöglichen tatsächlich mehr und mehr Maßnahmen und Methoden mittels weniger Klicks, die früher einer aufwendigen Logistik, dicker Ordner und zahlreicher Besprechungen bedurften. Schöne neue, digitale Welt!?

Entgrenzung der Arbeitszeit durch digitale Arbeitsmittel

Doch mit den neuen Möglichkeiten wandeln sich auch die Erwartungen an die Beschäftigten im Bildungssektor, das Verhältnis zwischen privatem und beruflichem Lebensbereich und nicht zuletzt die Kontrollmöglichkeiten der Vorgesetzten. So wird von Schüler*innen und Eltern zunehmend die Erwartung an die Lehrkräfte kommuniziert, auf Anfragen möglichst schnell zu reagieren, und möglicherweise auch gleich an die Schulleitung weitergeleitet. Nicht zuletzt dadurch wird die im Lehrberuf ohnehin schwierige Abgrenzung zwischen häuslicher Arbeitszeit und Freizeit durch die mittels verschiedenster Kommunikationskanäle erleichterte Erreichbarkeit außerhalb der Unterrichts- und Präsenzzeiten an der Schule weiter verstärkt. Die Gefahr, nicht mehr „abschalten“ zu können, steigt, auch weil es nach wie vor üblich ist, private Geräte auch dienstlich zu nutzen, da Dienstgeräte – an anderen Arbeitsplätzen eine Selbstverständlichkeit – an Schulen bisher kaum zur Verfügung stehen. Darüber hinaus entstehen bei der Arbeit mit digitalen Geräten Daten, die zumindest theoretisch Fragen von Vorgesetzten zur Arbeitsweise auch außerhalb der Schule beantworten: Wann und wie lange wird gearbeitet? Neigt man dazu, Aufgaben „auf den letzten Drücker“ zu erledigen? Wie schnell beantwortet man Fragen von Schüler*innen oder Eltern? Wann ist man (nicht) erreichbar? Wie gestaltet man seinen Distanzunterricht? Und – hinsichtlich digitaler Schließanlagen – nicht zu vergessen: Wann betritt und verlässt XY das Schulgebäude?

Wie wirkt sich die Pandemiesituation aus?

Der Distanzunterricht in der Coronapandemie verstärkt die beschriebene Situation in allen Bereichen. Einerseits können mehr sinnvolle Einsatzmöglichkeiten digitaler Werkzeuge erprobt werden und ein noch größerer Kreis der Lehrenden sammelt praktische Erfahrungen mit neuen Medien als bisher. Andererseits verschärft die schnell vorangetriebene Digitalisierung weitere bereits früher vorhandene Schwierigkeiten des Arbeitsplatzes Schule.

Aufgaben der Personalrät*innen und der GEWerkschaft

Bei den Aufgaben, die Digitalisierung der Bildung sinnvoll mitzugestalten und die besonderen Herausforderungen des Arbeitsplatzes Schule in einem zu bewältigenden Rahmen zu halten, kommt der Personalvertretung eine zentrale Rolle zu. Die vorhandenen Rechte des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) müssen hier aktiv genutzt werden, um rechtzeitig lenkend einzugreifen. Entscheidend ist dabei die zügige Reaktion zum Zeitpunkt der Einführung neuer digitaler Werkzeuge an der jeweiligen Dienststelle. An dieser Stelle kann die nach Art. 75a BayPVG notwendige Zustimmung des Personalrats vom Abschluss einer Dienstvereinbarung abhängig gemacht werden, in der dann klare Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben gezogen werden sollten. Dieses Instrument sollte verstärkt genutzt und anschließend auch die Einhaltung der vereinbarten Regeln eingefordert werden.

Die zunehmende Digitalisierung des Unterrichts verstärkt aber noch ein weiteres Grundproblem des Arbeitsplatzes Schule, nämlich das der unzureichenden Arbeitszeiterfassung. Bisher werden die Unterrichtsstunden erfasst, während nur bestimmte weitere Dienstaufgaben durch sogenannte Anrechnungsstunden auf die Unterrichtspflichtzeit angerechnet und somit vergütet werden. In der Pandemiesituation ist jedoch teilweise eine Entkoppelung von Unterrichtsstunden und Vor- und Nachbereitung zu beobachten. So planen Schulleitungen gelegentlich für längerfristige Vertretungen damit, dass Schüler*innen der betroffenen Klasse digitale Unterrichtsmaterialien der Lehrkraft der Parallelklasse nutzen, sodass diese dann de facto ohne Erstattung zwei Klassen unterrichtet. In anderen Fällen arbeiten Schüler*innen selbstständig materialgestützt, wenn ihre Lehrkraft in einzelnen Stunden abwesend ist, denn Aufsicht durch die Lehrkraft ist im Distanzunterricht ja nicht notwendig, und es scheint sich die Sichtweise durchzusetzen, dass auch die Anleitung durch die Lehrkraft entbehrlich ist. Spätestens dann, wenn Schulleitungen trotz Krankheit einer Lehrkraft die Bereitstellung von Materialien einfordern, wird sichtbar, dass die fehlende zeitliche Erfassung der Unterrichtsvorbereitung auch zu einer mangelnden Wahrnehmung der geleisteten Arbeit und damit zu mangelnder „Wert-Schätzung“ dieses wichtigen Teils der Arbeit führt!

Hier sehe ich eine moderne Arbeitszeiterfassung – wie sie nicht zuletzt auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) fordert – als Schlüssel zur Lösung verschiedener Probleme. Sei es die ungerechte Arbeitsverteilung innerhalb der Dienststellen, die Dokumentation von Mehrarbeit in bestimmten Phasen des Schuljahres, die oft gerade dann als zusätzlicher Aufwand empfunden und nicht erbracht wird, weil man ohnehin nur zusätzlich gehaltene Unterrichtsstunden erstattet bekommen kann, nicht aber z. B. Korrekturzeiten, oder auch die Defensive, in die man als Lehrkraft zwangsläufig gerät, wenn die Arbeitszeiten anderer Branchen mit Unterrichtsstunden und Urlaubs- mit Ferientagen verglichen werden. Darüber hinaus kann auch bei der Trennung von Privat- und Berufsleben am häuslichen Arbeitsplatz eine bewusst vorgenommene Zeiterfassung helfen. Dies wäre dann in der Tat ein weiterer sinnvoller Einsatz digitaler Hilfsmittel am Arbeitsplatz Schule! Weil dazu aber sicher auch politisch „dicke Bretter zu bohren“ sind, wird hier neben den Personalvertretungen vor allem die GEWerkschaft aktiv werden müssen.

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Info: Rechtliche Grundlagen für den Personalrat beim Thema Digitalisierung nach BayPVG

  • Allgemeine Aufgaben (Art. 69), z. B.
    • Beantragung von Maßnahmen, die den Angehörigen der Dienststelle dienen
    • Einhaltung der geltenden Regeln
    • Behandlung von Anregungen und Beschwerden der Beschäftigten
  • Initiativrecht beim Arbeits- und Gesundheitsschutz
    (Art. 70a Abs. 1 i. V. m. Art. 75 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8)
  • Dienstvereinbarungen (Art. 73)
  • Mitbestimmung bei technischen Einrichtungen und automatisierten Verfahren (Art. 75a)

KMS vom 16.06.2015: Abschluss von Dienstvereinbarungen gem. Art. 73 BayPVG
Hier: Nutzung elektronischer Einrichtungen an staatlichen Schulen

KMBek vom 08.01.2021: Rahmendienstvereinbarung zu digitalen Kommunikations- und Kollaborationswerkzeugen (für zentral durch KM oder dezentral durch Schulaufwandsträger zur Verfügung gestellte Werkzeuge)

von Matthias Haberl

Lehrer am Carl-Friedrich-Gauß-Gymnasium Schwandorf
Vorsitzender des örtlichen Personalrats
Vorsitzender des GEW-Kreisverbands Schwandorf
Kandidat für den Hauptpersonalrat (Gruppe der Lehrer an Gymnasien)

 


[i] Tools, die der Zusammenarbeit mehrerer Personen dienen.