Mit Urteil vom 5. Dezember 2013 hat der Europäische Gerichtshof im Grundsatz entschieden, dass bei einer Differenzierung zwischen bei demselben Arbeitgeber und bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten ein Verstoß gegen die europarechtlichen Freizügigkeitsvorschriften vorliegt. In der Sache ging es um eine österreichische Regelung, die Dienstzeiten bei anderen Arbeitgebern bei der Zuordnung in die Gehaltsstufe nur teilweise berücksichtigt, hingegen ununterbrochene Dienstzeiten derselben Gebietskörperschaft vollumfänglich anerkennt.
Der Europäische Gerichtshof sieht in dieser Regelung eine mittelbare Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Der europäische Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet jede Form von versteckter Diskriminierung. Zugleich soll diese Diskriminierung aber auch bei inländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeben sein, wenn Beschäftigungszeiten bei anderen inländischen Arbeitgebern innerhalb der Stufenzuordnung nicht berücksichtigt werden. Nach dem Grundsatz der „Anpassung nach oben“ haben die betroffenen Beschäftigten einen Anspruch, dass ihre bei anderen Arbeitgebern erworbene einschlägige Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung angerechnet wird.
Diese vom EuGH festgesetzten Grundsätze haben auch Auswirkungen auf die Tarifregelungen im öffentlichen Dienst. Hier können sich Ansprüche der Beschäftigten hinsichtlich der Stufenzuordnung, Krankengeldzuschuss und Jubiläumsgeld ergeben.
Konkret sind Beschäftigte aus dem Bereich TV-L, TVöD Bund, TV-Hessen und TV-V betroffen, wenn die bei einem anderen Arbeitgeber erworbene einschlägige Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung nicht berücksichtigt wurde.
Denn die für Beschäftigte des Bundes der Entgeltgruppen 9-15 geltende Vorschrift des § 16 II TVöD Bund und die für alle Beschäftigten der Länder geltende Vorschrift des § 16 II TV-L differenzieren bei der Anrechnung von einschlägiger Berufserfahrung danach, bei welchem Arbeitgeber diese erworben wurde. Gleiches gilt für die Stufenzuordnung im TV-V.
Die Regelungen aus dem TVöD VKA (§ 16 II TVöD) und TVöD Bund (§ 16 III bis Entgeltgruppe 8) sind aufgrund der fehlenden Differenzierung in der Stufenzuordnung europarechtskonform, hier ergeben sich keinerlei Ansprüche. Auch lösen §§ 16 III a TVöD Bund und 16 II a TVöD VKA sowie 16 II a TV-L keine Ansprüche aus, weil es sich hierbei lediglich um Kann-Vorschriften handelt.
Darüber hinaus knüpfen neben der Bestimmung der Kündigungsfrist (§§ 34 III TVöD/TV-L) der Krankengeldzuschuss (§§ 22 III TVöD/TV-L) sowie der Anspruch auf Jubiläumsgeld (§§ 23 III TVöD/TV-L) an die jeweilige Beschäftigungszeit. Hier wird ebenfalls in unzulässiger Weise zwischen bei demselben Arbeitgeber bzw. unter denselben Tarifvertrag fallenden anderen Arbeitgebern oder anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten unterschieden. Insoweit sind auch hier alle in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeiten anzurechnen.
Daher wird betroffenen Beschäftigten empfohlen, ihre Ansprüche unverzüglich geltend zu machen. Entsprechende Muster-Geltendmachungen finden sich in den unten angeführten Dateien.
Bitte beachtet, dass sich rückwirkende Zahlungsansprüche nur im Rahmen der sechsmonatigen Ausschlussfrist ergeben können, vgl. §§ 37 TVöD/TV-L.