Gesundheit und Arbeitsrecht
Bezirksdelegiertenkonferenz in Würzburg zum Thema Arbeitszeiterfassung
Auf der Bezirksdelegiertenkonferenz der GEW Unterfranken in Würzburg reagierten die Anwesenden auf die Forderungen der Regierung nach mehr Arbeit.
Mehr Arbeit? Erst Fakten, dann Forderungen!
Konferenz der GEW-Unterfranken zu Arbeitszeiterfassung an Schulen
Weniger Work-Life-Balance, mehr arbeiten!, fordert die Staatsregierung. „Wir arbeiten doch längst mehr“, antwortet Gewerkschafter Florian Kohl auf der Delegiertenkonferenz der GEW Unterfranken auf diese verzerrte Vorstellung. Regelmäßig belegen Studien zur Arbeitszeiterfassung, dass Lehrkräfte deutlich mehr arbeiten, als ihre Pflichtstundenzahl vermuten lässt. Die durchschnittliche Arbeitszeit einer Lehrkraft liegt bei 50 Stunden pro Woche. Die Arbeitsbelastung steigt parallel dazu: Lehrkräfte sind im Schulalltag von vielen Impulsen und sensorischen Reizen gleichzeitig betroffen. Dieses Crowding erhöht sich mit den rasant steigenden Herausforderungen durch die veränderte heterogene Schülerschaft. Weitere zusätzliche Aufgaben wie Sprachstandserhebungen, Digitalisierung, ein massiv zunehmender Korrekturaufwand und ein auswuchernder Bürokratismus in nahezu allen schulischen Bereichen erhöhen die Belastung weiter. Studien belegen: Die Ferien gleichen dies ein keiner Weise aus. Freizeitausgleich für Klassenleitungen oder Abschlussprüfungen gibt es nicht. Individuelles Engagement der Lehrkräfte wie die Übernahme von Klassenleitungen, Theaterfahrten, Museumsgänge oder erlebnispädagogische Projekte an Abenden oder am Wochenende werden nicht vergütet. Leistung wird im Schulsystem vom Arbeitgeber nicht belohnt.
Statt also pauschal Mehr Arbeiten! einzufordern und die Verantwortung auf Lehrkräfte in einem staatlich längst unterfinanzierten und maroden Bildungssystem abzuschieben, sollten die Probleme angegangen werden: Die ungleiche Arbeitsverteilung in Kollegien muss bekämpft werden. Die Voraussetzungen, gerade für Frauen, in Vollzeit arbeiten zu können, müssen geschaffen werden. Die Grundlagen für einen erfüllenden Lehrberuf müssen wieder hergestellt werden. „Konkret bedeutet dies die dringliche Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben des Gesundheitsschutzes“, so Kohl. Kultusministerielle Projekte wie der „Wegweiser Gesundheit“ lenken lediglich ab und sorgen für keinerlei strukturelle Veränderung. „Wir müssen dringend darauf schauen, welche konkreten Belastungen an den einzelnen Schulen vorliegen“, resümiert Kohl. Voraussetzung dafür ist die systematische Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften, die der Arbeitgeber bis heute nicht vornimmt. Dabei wäre dies ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Situationen an den Schulen vor Ort, wie das Beispiel der Lehrkraft Monika Hartl aus Aschaffenburg zeigt: Das Resultat der eigenverantwortlich organisierten Arbeitszeiterfassung an ihrer Schule führte zu zielgerichteten und differenzierten Entlastungsmaßnahmen durch die Schulleitung.
Solange der Staat also überhaupt kein Interesse daran hat, zu erfahren, wieviel seine Lehrkräfte arbeiten, so lange sollte der Ruf nach Mehr Arbeit! unterlassen bleiben. Bis der Staat hier endlich Verantwortung zeigt, heißt es für die Lehrkräfte: Nein zu Mehrarbeit!