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Schule

Belastung von Lehrkräften

Wir veröffentlichen an dieser Stelle ein anonymisiertes Interview mit einer Schulleitung aus einem Sonderpädagogischen Förderzentrum in Bayern. Es stellt die momentane Belastungssituation in den Schulen dar.

Weiterhin haben wir ein Muster für eine Überlastungsanzeige erstellt. Darüber hinaus noch ein Dokument, das die Tätigkeiten von Schulleitungen an SFZ darstellt (kein Anspruch auf Vollständigkeit). Dies soll die Belastungssituation verdeutlichen.

Liebe S., vielen Dank, dass du dir kurz Zeit nimmst. Verbände und Gewerkschaften werden nicht müde, auf die Belastungen der Lehrkräfte im Schulsystem hinzuweisen. Oftmals viel zu kurz kommen in der öffentlichen Wahrnehmung dabei die Schulleitungen. Nun haben in München einige Schulleitungen von Förderschulen die ihrer Meinung nach nicht mehr tragbaren Belastungen in Form einer „Überlastungsanzeige“ bei ihrem Dienstherrn angezeigt. Wie kam es dazu?

Seit 2020 hat sich eine sehr gute und regelmäßige Zusammenarbeit der Förderschul-Leitungen in München etabliert ( wöchentliche digitale Treffen). Wir haben festgestellt, dass überall die gleichen Probleme deutlich werden. Der Handlungsspielraum unserer Vorgesetzten in der Regierung ist klein, an die Presse sollen wir nicht offensiv gehen, vom KM werden die Probleme herunter gespielt bzw. negiert -  da schien uns das Mittel der Überlastungsanzeige ein sinnvoller und notwendiger Weg.

Wir würden uns freuen, wenn sich weitere Schulleitungsteams - auch aus anderen Schularten - mit einer individuellen Überlastungsanzeige unserer Aktion anschließen.

Die Überlastungsanzeige ist ein Instrument aus dem Arbeitsschutz. Sie dient dazu, der übergeordneten Stelle Mängel aufzuzeigen, die es unmöglich machen, alle Aufgaben fehlerfrei zu bewältigen. Im Beamtenrecht ist es aufgrund des besonderen Dienst- und Treueverhältnisses sogar geboten, den Dienstherren über Missstände frühzeitig zu unterrichten.  
Was sind denn die Gründe für die Überlastung der Schulleitungen in München?

Seit Jahren und ganz besonders in der Zeit der Pandemie kamen für die Schulleitungen zahlreiche Aufgaben hinzu, parallel wurden die personellen Bedingungen immer schwieriger:

Beispiele:

  • Zahlreiche sehr umfangreiche Vertragsabschlüsse für Zusatzkräfte (durchschnittlich 20 Seiten Formulare)
  • die Organisation des gebundenen Ganztags (Abrechnung des Mittagessens, Suche nach Trägern und für Förderschulen geeignetem  päd. Personal, aber auch die Suche z.B. nach Küchenkräften, die von der Stadt München weder bereitgestellt noch finanziert werden)
  • viele notwendige Vertretungen aufgrund der angespannten Personallage
  • die Einarbeitung von nicht- sonderpädagogischem Personal
  • in den letzten drei Jahren: Eklatante Zunahme an schwierigen Familiensituationen in unserem Klientel, die viel  Netzwerkarbeit und damit viele Runde Tische notwendig macht, dazu nahezu tägliche  Krisenintervention im Schulalltag mit schwierigen Kindern und Jugendlichen - spiegelt sich auch in der deutlichen Zunahme von    Schulbegleiter*innen oder nicht mehr beschulbarer Kinder wider
  • parallel dazu wird seitens des KM seit 1.10.22 ein verbindlicher Klassendurchschnitt  von 12 Schüler*innen gefordert, andernfalls kommt es zu Klassenzusammenlegungen - auch dies ist je nach Klassenzusammensetzung eine erhebliche Belastung für alle Beteiligten
  • die oft katastrophale digitale Situation in der Stadt München

 u.v.m  siehe angehängte Tätigkeitsliste und Überlastungsanzeige


Hat das weitere Folgen, beispielsweise für die Lehrkräfte, das schulische Personal und die Schüler*innen?

Natürlich ist das gesamte Personal seit Jahren  überlastet, zunehmende Krankheitszeiten ansonsten sehr stabiler Kolleg*innen zeigen dies deutlich. Dass es unseren Kindern und Jugendlichen in besonderem Maß schadet, keine zuverlässige Lehrerinnen*versorgung zu bekommen, oft von nicht ausgebildetem Personal unterrichtet zu werden bzw. von Aufteilungen und Unterrichtsausfall betroffen zu sein, ist eigentlich selbstverständlich. 

Der Dienstherr ist aufgrund seiner besonderen Fürsorgepflicht dazu angehalten, die Arbeitsverhältnisse so zu gestalten, dass keine Überlastung eintritt. Im Fall einer Überlastungsanzeige muss er reagieren.
Was erhofft ihr euch von eurem Dienstherren?

Leider ist eher nicht zu erwarten, dass sich die Situation zeitnah verbessert, aber wir wollen wenigstens auf die Missstände aufmerksam machen,  aufzeigen, dass die Überlastung an die physischen und psychischen Grenzen geht und weitere Ausfälle auch in den Schulleitungen zu befürchten sind. 

Schön wäre natürlich, wenn zum einen die Probleme gesehen und nicht heruntergespielt würden und es zum anderen  zumindest mehr Schulleitungs- und Verwaltungsstunden gäbe. 

Welche Maßnahmen wären denn deiner Meinung nach sinnvoll, um die Situation generell zu verbessern?

siehe oben, aber auch :

  • mehr sonderpädagogisches Personal
  • Bereitstellung von Vertretungskräften  für längerfristige Ausfälle in Schulleitungsteams
  • zeitliche Kapazitäten für eine sinnvolle Einarbeitung von Quereinsteiger*innen
  • Rücknahme des verbindlichen Klassendurchschnitts von 12+ Schüler*innen
  • Abrechnungsmöglichkeit für Überstunden der Schulleitung, überhaupt eine Registrierung der Arbeitszeit für Lehrkräfte

 

Vielen Dank!

Kontakt
Florian Kohl
stellvertretender Vorsitzender, Bereich Schule
Mobil:  0170 362 33 61