Corona-Pandemie
aufstockendes "Hartz IV" - Fristen beachten
Viele Mitglieder der GEW sind von Einschränkungen der Bildungs- und Sozialeinrichtungen betroffen. Für einen Teil kann dies zu erheblichen Einkommensverlusten bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes führen.
Auch wer Kurzarbeiter- oder Arbeitslosengeld I bezieht, hat einen Nettoverlust von bis zu 40 %. Oft bleibt dann nur „Hartz IV“ (offiziell: Grundsicherung für Arbeitssuchende bzw. Arbeitslosengeld II – AlG II). Dafür gelten jetzt wichtige Erleichterungen - aber auch ein knapper Termin: Anträge für März müssen bis Dienstag 31.3. beim Jobcenter sein, eine formlose Mail reicht.
--- alle Angaben ohne Gewähr, nicht alle Detailregelungen sind berücksichtigt ---
Auch wenn die Leistung „Arbeitslosengeld II“ heißt: man muss nicht arbeitslos sein und erst recht nicht Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt haben. Eigentlich ist es eine Form der Sozialhilfe, also eine staatliche Unterstützung in Notlagen. Auch wer arbeitet und Einkommen hat, kann mit AlG II „aufstocken“. Die persönliche Voraussetzung ist nur: mindestens 15 Jahre alt aber noch nicht im Rentenalter und erwerbsfähig im gesundheitlichen Sinne (andernfalls würden Leistungen der unmittelbaren Sozialhilfe zutreffen, für die weitgehend dasselbe gilt. Zuständig ist dann das Sozialamt der Stadt- oder Kreisverwaltung). Alles weitere ist eine Rechenaufgabe: wie hoch ist der Bedarf, wie hoch das Einkommen, welche Unterstützung ist noch nötig? Auf AlG II besteht ein Rechtsanspruch, es ist kein Almosen des Staates.
Unabhängig davon was man vorher verdient hat, ist der Bedarf gesetzlich definiert. Er ist für die jeweilige „Bedarfsgemeinschaft“ zu berechnen, dazu gehören neben dem Antragsteller der/die Ehepartner*in (auch: eheähnlich) und die im Haushalt lebenden Kinder. Zum Bedarf zählen:
- der Regelbedarf je Person, darin ist fast alles enthalten außer Wohnkosten (also auch Essen, Fahrtkosten, Strom, Telefon, Kleidung, Möbel, Reparaturen usw.)
- die Kosten der Unterkunft (Miete und Betriebskosten, bei Eigentum vergleichbare Kosten aber ohne Darlehenstilgung) und Heizkosten.
- Mehrbedarfe für bestimmte Personengruppen (v.a. Schwangere ab der 12. Woche, Alleinerziehende, erhöhter Ernährungsbedarf wegen Krankheit)
Für den Regelbedarf gilt im Jahr 2020:
Alleinstehende und Alleinerziehende: 432 Euro
Volljährige Partner (z.b. Ehepaar): je 389 Euro
Jugendliche im 15. Lebensjahr (14 Jahre) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres 328 Euro
Kinder ab Beginn des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres 308 Euro
Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres 250 Euro
Der Regelbedarf eines Ehepaares mit 10jährigem Kind liegt also bei: (2 x 389) + 308 = 1.086 Euro
(aber es kommen noch die Wohnkosten dazu und Einkommen wird angerechnet, auch Kindergeld)
Die Kosten der Unterkunft sind eigentlich örtlich begrenzt (in München ist mehr zulässig als in ländlichen Gebieten), aber für Bewilligungszeiträume, die von März bis Juni 2020 beginnen, gilt diese Regelung für 6 Monate nicht. Es zählen die tatsächlichen Kosten, auch wenn sie sonst zu hoch wären.
Die genannten Mehrbedarfe für besondere Personengruppen bitte selbst im Gesetz nachsehen und ausrechnen – siehe § 21 SGB II https://dejure.org/gesetze/SGB_II/21.html
Alles, was man in Form von Geld im jeweiligen Monat (Zeitpunkt der Einnahme!) bekommt, also auch Gehaltsnachzahlungen, Kurzarbeitergeld, Kindergeld. Bei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit wird der Gewinn (nach Abzug der nötigen Betriebsausgaben) im Durchschnitt des Bewilligungszeitraumes genommen, das werden wahrscheinlich 6 Monate sein.
Beispiel:
Antrag am 31.3.2020, Beginn Bewilligungszeitraum 1.3.2020 – 31.8.2020
Gehalt bisher 2.500 Euro brutto / 1.930 netto
Kurzarbeit Null (kein Restgehalt), Ehepartner*in ohne Einkommen, ein Kind 10 Jahre
Miete und Heizung monatlich 700 Euro.
Bedarf: 1.086 Euro + 700 Euro = 1.786 Euro
Vorhandenes Einkommen: 1295 (KUG) + 204 (Kindergeld) = 1499 Euro
Davon werden 30 Euro pauschaler Freibetrag abgezogen, bleibt anzurechnen: 1469 Euro
Leistung für die Familie: 1786-1469 = 317 Euro
Bei Erwerbseinkommen (wozu KUG/AlG 1 nicht zählen) beliben pauschal 100 Euro monatlich und vom Restbetrag weitere 20 % frei (nur 10 %, soweit Einkommen über 1.000 und bis 1.200 Euro, für das Einkommen darüber kein Freibetrag mehr, mit Ausnahmen).
Es kann im Einzelfall sinnvoller sein, erst im April den Antrag zu stellen – das aber bitte anhand der Zahlungseingänge im März selbst ausrechnen.
Wer „zuviel“ Vermögen hat, bekommt überhaupt keine Leistung. Aber: für Bewilligungszeiträume, die von März bis Juni 2020 beginnen wird das Vermögen für 6 Monate nicht berücksichtigt und auch nicht geprüft. Die üblichen Grenzen aus § 13 SGB II (750 Euro pro Person plus 150 Euro je Lebensjahr) gelten also nicht, auch nicht wenn sich später ergibt dass man mehr hatte. Man muss jedoch im Antrag erklären, dass „kein erhebliches Vermögen vorhanden ist“.
Was erheblich ist, steht nicht im Gesetz. Die Bundesagentur interpretiert es laut Antragsformular wie folgt: „Erheblich ist sofort für den Lebensunterhalt verwertbares Vermögen der Antragstellerin/des Antragstellers über 60.000 Euro sowie über 30.000 Euro für jede weitere Person in der Bedarfsgemeinschaft. Beispiele: Girokonten, Sparbücher, Schmuck, Aktien, Lebensversicherungen.“
Berechnungsprogramme von privaten Urhebern und ohne jede Gewährleistung hier:
Harald Thomé, Tacheles-Sozialberatung:
https://harald-thome.de/download/ (nur Tabellenkalkulation für MS Excel und Libre Office)
Online mit Vergleich zu Wohngeld und Kinderzuschlag:
http://www.1ngo.de/web/ALG2.html
Hinweis: wenn nur relativ geringe Beträge zum Bedarf fehlen, kann der Antrag auf Wohngeld und/oder Kinderzuschlag auch schon ausreichen. Das wird aber auch das Jobcenter ausrechnen und ggf. darauf verweisen, mit dem Antrag auf AlG II hätte man jedenfalls die Fristen gewahrt.
Grundsätzlich ja, wenn keine ausreichend wichtigen Gründe wie die Betreuung von Kleinkindern dagegen stehen. Siehe dazu § 10 SGB II. Soweit absehbar, wären in nächster Zeit Vermittlungen etwa in landwirtschaftliche Hilfsarbeiten oder Hilfstätigeiten in der Pflege denkbar. Wenn man das ablehnt, wird die Leistung gekürzt oder ganz gestrichen.
Beim örtlich zuständigen Jobcenter. Welches das ist, kann man hier feststellen: www.arbeitsagentur.de/ueber-uns/ansprechpartner
Der Antrag und die nötigen Unterlagen sind berüchtigt dafür, wie kompliziert und umfangreich sie sind. Aber daran kommt man nicht vorbei. Hier sind alle Formulare zu finden: https://www.arbeitsagentur.de/arbeitslos-arbeit-finden/download-center-arbeitslos#1478809808529
…. wenn der Server denn funktioniert, heute abend (28.3.) nur teilweise.
Die Jobcenter sind derzeit mit schriftlichen Anträgen (auch Mail) einverstanden und alle persönlichen Termine bei der Behörde finden bis auf weiteres nicht statt. Für die Fristwahrung (wenn man noch den März mitnehmen will) reicht erst mal eine E-Mail oder ein Fax an das Jobcenter:
„Sehr geehrte Damen und Herrn,
ich beantrage für mich und für meine Haushaltsangehörigen Leistungen nach dem SGB II. Bitte senden Sie mir die Formulare zu, die ich ausfüllen muss. Ich bin Mieter/Eigentümer meiner Wohnung. Meine Daten: (Name, Adresse, Telefon, Mail). Sollte eine andere Behörde zuständig sein, bitte ich um Weiterleitung.“
Kopie im Sende-Ordner speichern und ausdrucken!
Die Bundesagentur für Arbeit informiert aktuell über die Besonderheiten während der Krise, bitte diese Seite unbedingt vorher lesen: https://www.arbeitsagentur.de/corona-faq-grundsicherung
Für Selbständige (z.B. Honorardozent*innen) haben wir eine spezielle Info zu AlG II: https://www.gew-bayern.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/by/Coronoavirus-2020/ALGII-Corona.pdf
Diese kurze Information der GEW Bayern kann keinesfalls die ausführlichen Infos ersetzen, die Kolleginnen und Kollegen der Sozialberatung seit 15 Jahren zu „Hartz IV“ erstellt haben. Viele Einzelpunkte sind hier gar nicht erwähnt. Wir verweisen dazu insbesondere auf die Infos bei:
der Wuppertaler Initiative Tacheles: https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/
den gewerkschaftlichen Erwerbsloseninitiativen: https://www.erwerbslos.de/
und natürlich bei der Bundesagentur: https://www.arbeitsagentur.de/
Wichtig ist, dass ihr alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß macht und spätere Änderungen (insbesondere wenn doch wieder Geld fließt) unaufgefordert dem Jobcenter mitteilt.
90766 Fürth