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Teilzeitarbeit wertschätzen!

GEW lehnt pauschale Vorgabe von Einsatztagen bei Teilzeit ab!

In einem offenen Brief an alle Grund- und Mittelschulen in der Stadt und im Landkreis Landshut nimmt der GEW-Kreisverband Stellung zu den geplanten festen Einsatztagen bei Teilzeit.

Quelle: Pixabay

Stellungnahme der GEW zu den geplanten Einsatztagen bei Teilzeit

In einer Mail vom 22.1.2024 informierte das Schulamt Landshut die Schulleitungen darüber, wie die Einsatztage bei Teilzeit-Lehrkräften in Zukunft geregelt werden sollen. Eine entsprechende Auflistung von Wochenstunden und daraus resultierenden Einsatztagen sei mit den zuständigen Örtlichen Personalräten abgestimmt. Die Schulleitungen sollten Ihre Kollegien über dieses Vorgehen informieren.

Den GEW-Kreisverband Landshut/Westliches Niederbayern erreichten daraufhin etliche Anrufe von betroffenen Kolleg*innen, die für diese Maßnahme keinerlei Verständnis zeigten und sich dadurch regelrecht „verheizt“ fühlten. Für viele Kolleg*innen hätte die Umsetzung dieser Vorgaben massive Auswirkungen auf die Planung und Organisation ihres Familienalltags bzw. der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Angehörigen. Das gehe bei einigen sogar so weit, dass sie ernsthaft überlegten, ob sie ihren Dienst unter diesen Bedingungen überhaupt noch weiterführen könnten.

Nachdem die Örtlichen Personalräte aus Stadt und Landkreis das Ansinnen des Schulamts offensichtlich befürworten, hat sich die GEW (die nicht dem ÖPR angehört) dazu entschlossen, eine Stellungnahme zu dieser Thematik zu verfassen, die nicht nur grundsätzliche Fakten zur Teilzeit nennt, sondern auch die Situation der Betroffenen in den Blickwinkel rückt und vielleicht zu einem Umdenken bei den Verantwortlichen führt.

 

Teilzeitarbeit wertschätzen!

Gesetzliche und rechtliche Grundlagen der Teilzeit

Teilzeit ist kein Gnadenakt des Dienstherrn oder des Arbeitgebers, sondern gesetzlich garantierter Anspruch, da Teilzeit zur Wahrnehmung von Erziehungsaufgaben, Pflege Angehöriger, Wahrnehmung eines Ehrenamtes oder aus anderen Gründen gesellschaftlich erwünscht ist.

Im bundesweit geltenden „Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge“, kurz „Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG),“ heißt es unmissverständlich: „Ziel des Gesetzes ist, Teilzeitarbeit zu fördern, […] und die Diskriminierung von teilzeitbeschäftigten und befristet beschäftigten Arbeitnehmern zu verhindern. (TzBfG - § 1, siehe: https://www.gesetze-im-internet.de/tzbfg/BJNR196610000.html)

Da der Großteil der Teilzeitkräfte weiblich ist, stellt für das Bundesverfassungsgericht eine Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter eine mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierungdar, die nicht hingenommen werden dürfe. (BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2008, Az.: 2 BvL 6/07)

 

Freistaat Bayern – ein „familienfreundlicher Arbeitgeber“?

Die Bayerische Staatsregierung hat im Jahr 2007 den sogenannten „Familien-Pakt Bayern“ ins Leben gerufen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. In der Präambel heißt es dazu: „Der Freistaat Bayern als größter Arbeitgeber Bayerns wird dabei mit gutem Beispiel vorangehen und sein Profil als familienfreundlicher Arbeitgeber weiter schärfen.“ Im zweiten Kapitel des Bayern-Paktes wird betont, dass sich die „Arbeitswelt an die Familienbedürfnisse anpassen“ müsse, denn „ein flexibles, familiengerechtes Arbeitsumfeld [hat] aus Sicht der Beschäftigten die größte Bedeutung für die Vereinbarkeit von Familienaufgaben und Beruf.“ Deshalb will die Staatsregierung „die dienst- und beamtenrechtlichen Regelungen kontinuierlich weiter an die Familienbelange anpassen“. (alle Zitate aus: https://www.familienpakt-bayern.de/)


Soweit der Anspruch –  die Wirklichkeit sieht leider anders aus.

Pauschal festgelegte Einsatztage sind kontraproduktiv und demotivierend!

Niemand nimmt die familienpolitische Teilzeit in Anspruch, der diese Teilzeit nicht dringend braucht! Schließlich sind mit der Teilzeitarbeit erhebliche finanzielle Einbußen verbunden. Die Gründe bzw. die Bedürfnisse der einzelnen Lehrer*innen sind sehr individuell und hängen oft mit der jeweiligen Betreuungssituation des Kindes wie dem Kitaplatz, dem möglichen Betreuungstag durch die Großeltern, den Arbeitszeiten des Partners, usw. zusammen. Auch die Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger muss zuverlässig organisiert werden können. Deshalb brauchen die Teilzeit-Lehrer*innen sehr unterschiedliche, individuell vereinbarte Arbeitszeiten. Diese Abstimmung mit der Schulleitung ist Ausdruck der Wertschätzung der Arbeit von Teilzeitlehrkräften und erhöht deutlich die Zufriedenheit. Eine pauschale Einsatztage-Vorgabe durch das Schulamt ist kontraproduktiv und demotivierend!

Wer sich wertgeschätzt fühlt, ist übrigens auch weniger krank und engagiert sich mehr am Arbeitsplatz. Dies allein schon sollte Grund genug sein, dass die Schulleitung auf die Arbeitszeitwünsche der Lehrkraft eingeht.

 

Teilzeitlehrkräfte werden tendenziell ausgebeutet!

Im Durchschnitt arbeiten Teilzeitkräfte mehr als sie bezahlt werden. Das wurde mehrfach in wissenschaftlichen Arbeitszeitstudien nachgewiesen (siehe z.B.: https://kooperationsstelle.uni-goettingen.de/projekte). Beim Wandertag, dem Unterrichtsgang, der Lehrerkonferenz, den Werkstatt-Wochen oder der Abschlussfahrt erhält die Teilzeitlehrkraft bei gleicher Arbeitszeit wie ihr/e Vollzeitkolleg*in nur ihr anteiliges Gehalt. Teilzeitler*innen werden seltener befördert und sind überwiegend Frauen.
Von Gleichberechtigung sind wir beim Arbeitgeber Freistaat Bayern meilenweit entfernt!

 

Teilzeit hat nichts mit „Work-Life-Balance“ zu tun!

Die Reduzierung der Arbeitszeit ist für viele Kolleg*innen die einzige Möglichkeit, das Arbeitspensum überhaupt noch zu schaffen und gesund zu bleiben. Sie hat nichts mit einer von Ministerpräsident Söder auf der jüngsten CSU-Klausurtagung pauschal unterstellten „Work-Life-Balance“ von Teilzeitkräften zu tun! Das notwendige Durchschnaufen und Pausieren an unterrichtsfreien Tagen wird durch eine verpflichtende Anzahl von Einsatztagen bei Teilzeit bewusst verhindert. Lehrergesundheit spielt anscheinend nur in Form von Fortbildungsangeboten durch die Schulberatungsstelle, aber nicht im Arbeitsalltag der Teilzeit-Frau oder des Teilzeit-Mannes eine Rolle! Was für ein Rückschritt!

 

Rigide „Auflistung“ in Landshut ist ungerecht!

Unseren Recherchen nach gibt es in keinem anderen Landkreis oder Regierungsbezirk eine derart rigide Auflistung von verpflichtenden Einsatztagen bei Teilzeitkräften. Das ist für uns ein klarer Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz!

 

Es bleibt zu hoffen, dass die Schulleiter*innen mit den betroffenen Kolleg*innen reden und versuchen, die Arbeitszeitwünsche zu berücksichtigen! Bei allem Verständnis, Kolleg*innen zur freiwilligen Erhöhung ihrer Arbeitszeit zu bewegen: Die vom Schulamt Landshut angedrohten Zwangs-Einsatztage von Teilzeitkräften gehören sicher nicht zu den von Kultusministerin Stolz gemeinten „Anreizen“. Sie sind ein unverhältnismäßiges Druckmittel gegen die gesetzlich geschützten Bedürfnisse von Teilzeit-Lehrkräften und konterkarieren die im „Familien-Pakt Bayern“ postulierte Selbstverpflichtung und den Anspruch der Bayerischen Staatsregierung.

Für den Vorstand des GEW-Kreisverbandes Landshut/Westliches Niederbayern
gez. Markus Weinberger