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Ergebnisse eines Fachgesprächs

Brückenklassen - Wo drückt uns der Schuh?

Bei der Beschulung ukrainischer Schüler*innen läuft nicht alles rund. Insbesondere das Konzept der Brückenklassen wirft viele Fragen auf. Beim "Offenen Treffen" der GEW am 8.12.2022 tauschten sich betroffene Kolleg*innen verschiedener Schularten über die aktuelle Situation aus.

Quelle: pixabay

Das offene Treffen des GEW-Kreisverbandes am 8.12.2022 stand unter dem Motto „Brückenklassen – Wo drückt uns der Schuh?“. Der Einladung folgten Pädagog*innen verschiedener Profession aus mehreren Schularten, die mit der Beschulung ukrainischer Schüler*innen in unterschiedlicher Funktion betraut sind.

Wie sind die aktuelle Regelungen bei der Beschulung ukrainischer Schüler*innen?

Ukrainische Kinder im Grundschulalter werden seit dem Schuljahr 2022/23 in Regelklassen unterrichtet. Für die älteren Schüler*innen (ab 11 Jahren) werden an Gymnasien, Mittelschulen, Realschulen und Wirtschaftsschulen sogenannte Brückenklassen eingerichtet. Aus Personalmangel im Mittelschulbereich und weil – insbesondere auf dem Land - ein Bustransfer der Schüler zu einem zentral gelegenen Brückenklassenstandort schwierig zu realisieren gewesen wäre, werden dort viele ukrainische Kinder einfach nur den Regelklassen zugeordnet. Eine Steuerungsgruppe beim Schulamt Landshut teilt die Schüler*innen zu, die von der zuständigen Sprengel-Mittelschule registriert werden. Die Zuteilung erfolgt nach Kapazitäten der Schulen und nicht nach vermeintlicher Leistungsfähigkeit der Schülerin / des Schülers. „Im Mittelpunkt aller Angebote an allen Schulen in Stadt und Landkreis Landshut steht die Förderung im Erlernen der deutschen Sprache“, heißt es auf der Homepage des Schulamtes. Soweit die Theorie. In der Praxis tauchen aber bei beiden Modellen – Unterricht in gesonderten Brückenklassen oder Unterbringung in Regelklassen – erhebliche Probleme auf.

Aktuelle Situation aus Sicht betroffener Lehrkräfte und pädagogischer Mitarbeiter*innen

Beim Offenen Treffen der GEW  wurden die Probleme in Brückenklassen von den Betroffenen wie folgt beschrieben:

Die ukrainischen Schüler*innen brächten oft gar nicht die entsprechende Motivation mit, die deutsche Sprache zu lernen, da sie mit einer baldigen Rückkehr in ihr Heimatland rechneten. Die Sprachbarriere zwischen (deutschen) Lehrkräften und (ukrainischen) Jugendlichen mache eine vernünftige Kommunikation fast unmöglich. Aber auch der Einsatz russischsprachiger Lehrkräfte bringe keine wirkliche Verbesserung, weil dadurch erst recht die Notwendigkeit fehle, Deutsch zu lernen. Erschwerend komme hinzu, dass es keine wirklichen Disziplinierungsmaßnahmen gäbe und sich die Kolleg*innen daher bei Unterrichtsstörungen, die häufig vorkämen, manchmal hilflos fühlten. Eine offizielle Notengebung sei nicht vorgesehen und es gäbe keinen verbindlichen Lehrplan oder einheitliche Mindeststandards, die erreicht werden müssten; dennoch solle am Ende des Schuljahres eine Empfehlung für eine bestimmte Schulart ausgesprochen werden. Das Leistungsniveau innerhalb einer Brückenklasse sei extrem unterschiedlich und die Mischung der Altersgruppe von 11 bis 16 Jahre erschwere eine sinnvolle pädagogische Arbeit. Es kämen im laufenden Schuljahr ständig neue Schüler*innen dazu, so dass keine Klassengemeinschaft entstehen könne und weitere Differenzierungen notwendig würden, was für die Lehrkräfte einen großen organisatorischen Aufwand bedeute. Darüber hinaus gäbe es kaum Differenzierungsmaterial und kein Budget, solches zu besorgen. Pädagog*innen würden Unterrichtsmaterialien daher auf eigene Kosten anschaffen. Umso bitterer sei es dann, wenn diese von den Schüler*innen zum Teil achtlos behandelt oder mit Absicht zerstört werden. Viele ukrainischen Jugendlichen würden in zwei Systemen leben: vormittags Präsenzunterricht in der Schule, nachmittags Online-Unterricht (aus der Ukraine), mit der Folge, dass das deutsche Schulsystem von ihnen überhaupt nicht ernst genommen werde. Auch sei die Verteilung der ukrainischen Schüler*innen nicht transparent und es gäbe eine Art „Ranking“ zwischen den Schularten innerhalb der Elternschaft. Von vielen werde auch eine Art „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ wahrgenommen: Auf der einen Seite die Brückenklassen, die nur den Ukrainer*innen offenstehen, und auf der anderen Seite die bisherigen „Deutschklassen“ für alle anderen nichtdeutschen Schüler*innen.

Zusammenfassend wurde festgestellt, dass der Unterricht in Brückenklassen für die Klassenleitungen extrem belastend sei. Die Lehrkräfte, die häufig nicht einmal eine DaZ-Ausbildung hätten, seien mit der Organisation und dem Umgang mit den Kindern auf sich allein gestellt. Das Konzept der Brückenklassen habe große Probleme und die betroffenen Pädagog*innen fühlten sich von den Verantwortlichen damit oft im Stich gelassen.


Aber auch dort, wo aus organisatorischen Gründen keine Brückenklassen gebildet wurden, wurden folgenden Probleme genannt (insbesondere an Mittelschulen):

Ukrainische Schüler*innen könnten dem Unterricht in den Regelklassen nicht folgen, sie würden früher oder später „abschalten“. Insbesondere bei älteren Jugendlichen sinke dadurch die Motivation erheblich, was immer wieder zu Disziplinproblemen führe. Die Klassenlehrkräfte hätten nicht die Möglichkeit, sich gesondert um die Ukrainer*innen zu kümmern, da auch Kinder aus anderen Nationen und Kinder mit vielfältigen Förderbedarfen in den Klassen seien. Es gäbe einfach viel zu wenig Förderstunden (oft nur 1 Stunde am Tag, wenn überhaupt). Und selbst diese wenigen Stunden müssten auf unterschiedliche Lerngruppen aufgeteilt werden, da das Leistungsniveau so heterogen sei und zum Teil noch eine Alphabetisierung notwendig sei. Während es bei jüngeren Schüler*innen durchaus Lernfortschritte gäbe, häuften sich die Probleme bei den älteren, die aufgrund der geringen Sprachkenntnisse nicht einmal an Praktikumsbetriebe vermittelbar seien.

Das Fazit für die Mittelschulen lautete daher: Es müssten wieder mehr Deutschklassen gebildet werden, in denen auch ukrainische Schüler*innen unterrichtet werden. Außerdem brauche es viel mehr Förderstunden zur Integration aller nichtdeutschen Kinder.